Auf einen Blick:
- Ein halbes Jahr testet Hanns-Georg Mostert in seiner Schreinerei die 4-Tage-Woche: Die Mitarbeiten reduzieren die Stunden und bekommen dabei volles Gehalt.
- Der Unternehmer ist einer von 45 Betrieben, die an einem Pilotprojekt mit wissenschaftlicher Begleitung und fachlicher Unterstützung teilnehmen.
- Nach den ersten Wochen sagt sein Bauchgefühl, dass er das Modell auch langfristig beibehalten will. Grund: Es zahlt auf die Gesundheit, die Motivation und den Spaß an der Arbeit ein.
Wenn Hanns-Georg Mostert freitags vor Arbeitsbeginn eine Runde über das Betriebsgelände dreht, ist es ungewohnt ruhig. Seit Januar ist der Chef von Holzkunst Mostert im nordrhein-westfälischen Rheinbach freitags neben zwei Azubis der einzige, der arbeitet. Die anderen 12 Mitarbeitenden testen die 4-Tage-Woche und haben schon Wochenende.
Ein Test, der in die heutige Zeit passt
Mostert hat sich mit seinem Schreinereibetrieb dafür entschieden, an einem deutschlandweiten Pilotprojekt zur 4-Tage-Woche teilzunehmen. Die Bedingungen: Die Mitarbeitenden reduzieren ihre Wochenarbeitszeit bei vollem Gehalt. Gearbeitet wird montags bis donnerstags. Der Testzeitraum beträgt ein halbes Jahr. In der Schreinerei haben die Teilnehmenden ihre Arbeitszeit von 40 auf 35 Stunden reduziert.
Vor dem Start des Projekts hatte Mostert schon eine Weile mit diesem Arbeitszeitmodell geliebäugelt. „Dann habe ich es Ende des Jahres bei unserer monatlichen Teambesprechung in den Raum gegeben“, berichtet der Handwerksmeister. Die Reaktion sei zunächst verhalten gewesen, da niemand mit diesem Angebot gerechnet hatte. Für Mostert sei das Pilotprojekt jedoch eine gute Möglichkeit, das Modell zu testen.
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Betriebe erhalten fachliche Unterstützung
Begleitet wird das Projekt die von der Beratungsagentur Intraprenör, der NGO (Nicht-Regierungsorganisation) 4 Day Week Global sowie von Wissenschaftlern der Universität Münster.
Von den 45 teilnehmenden Unternehmen sind entweder alle oder nur einige Mitarbeitende in dem Projekt involviert. „Alle sind mit den gleichen Bedingungen gestartet: Die Arbeitszeit wird bei gleichbleibendem Lohn und der gleichen Produktivität reduziert“, sagt Carsten Meier, geschäftsführender Gesellschafter von Intraprenör.
Während des Projektzeitraums würden die Betriebe fachliches Mentoring, monatliche digitale Sprechstunden und eine Plattform für den Austausch untereinander erhalten. Input zu rechtlichen und organisatorischen Fragen habe es vorab gegeben. Alle Teilnehmer zahlen je nach Betriebsgröße eine Gebühr, die in die Umsetzung weiterer Pilotstudien fließen soll.
Um an aufschlussreiches Zahlenmaterial zu gelangen, werden die Betriebe zu Beginn der Pilotphase, zur Halbzeit und am Ende von Wissenschaftlern der Uni Münster befragt, berichtet Meier. Teilnehmende sollen zudem Fitnesstracker tragen, deren Daten in die Auswertung mit einfließen.
Zwei Drittel KMU testen die 4-Tage-Woche
Mehr als 65 Prozent der teilnehmenden Unternehmen beschäftigten weniger als 49 Mitarbeitende, knapp 20 Prozent weniger als 249, der Rest entfällt auf größere Unternehmen. „Das entspricht etwa der prozentualen Verteilung der Unternehmen in der deutschen Wirtschaft“, sagt Meier.
Im Beirat des Projekts sitzen Vertreter aus Wirtschaft, Handwerk und Gewerkschaft. „Alle Multiplikatoren setzen sich dafür ein, dass es einen datengetriebenen Diskurs zur 4-Tage-Woche in Deutschland gibt“, erläutert er.
„Es ist keine wirtschaftliche Entscheidung“
Schon nach den ersten drei Wochen kamen die Mitarbeiter der Schreinerei mit positivem Feedback auf Mostert zu: „Sie haben nun Zeit für Termine, die sie in der Woche nicht wahrnehmen können, genießen den Tag mit der Familie oder gehen Hobbies nach.“
Den finanziellen Aspekt hingegen habe Hanns-Georg Mostert zunächst außen vor gelassen. „Wirtschaftlich kann ich das nicht aufrechnen“, sagt er. Das erste Quartal eines Jahres sei nie repräsentativ, da die Auftragslage ohnehin ruhiger sei. Langfristig macht sich der Schreinermeister keinen großen Kopf um die Kosten. Er denkt an die positiven Mitnahmeeffekte der reduzierten Arbeitszeit: „Wenn die Mitarbeiter ausgeruhter sind, passieren weniger Fehler. Ein bis zwei Fehler weniger pro Woche – und das Projekt hat sich schon gelohnt“, ist sich Mostert sicher.
Ihm sei es wichtig, die Arbeitskraft des Teams langfristig als Ressource zu erhalten. In Zeiten des Fachkräftemangels zählen für ihn die Mitarbeiterbindung, die Motivation und vor allem der Spaß an der Arbeit. Auf diese Ziele zahle die 4-Tage-Woche ein. Er wolle und könne nicht jedes Jahr mehr Umsatz auf Aufträge machen und dabei Personal verschleißen.
Das Bauchgefühl sagt, es wird ein Erfolg – mit einer Unsicherheit
Der Chef selbst genießt die Ruhe am Freitag im Büro und dass er seine Aufmerksamkeit den Azubis widmen kann. „Die Belastung in den vergangenen Jahren war enorm. Es ist an der Zeit, dass wir jetzt mal durchatmen“, sagt Mostert. Von einigen Kollegen sei er schon gefragt worden, ob es ihm zu gut gehe, weil seine Leute freitags nicht mehr arbeiten. Doch diesen Luxus gönnt er sich und seinem Team von Herzen.
Vor allem eine Frage treibt den Handwerksunternehmer nach den ersten Testwochen noch umtreibt: Wie geht das Team damit um, ihre Arbeit in weniger Zeit zu schaffen? „Ob sie sich da selbst Druck machen und in Stress geraten? Das wird die Zeit zeigen. Doch dafür werden wir eine Lösung finden“, sagt Mostert. Denn sein Bauchgefühl sagt schon heute: Die 4-Tage-Woche wird für seinen Betrieb ein Erfolg.
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