Auf einen Blick:
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Der Fensterbaubetrieb Gebr. Gieseler ermöglicht allen interessierten Vätern die Elternzeit.
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Gemeinsam hat das Team schon mehrere Voll- und Teilzeitmodelle erarbeitet.
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Trotz des hohen Planungsaufwandes gehen Mitarbeiter und Betrieb aus der Elternzeit gestärkt hervor, erklärt die Chefin.
Mangelnde Konzentration, hohe Fehlerquote und Unausgeglichenheit: Weil ein junger Mitarbeiter von Andrea Beneke vergangenes Jahr zu müde und ausgelaugt für die Arbeit war, hat sie ihm nahegelegt, Elternzeit zu nehmen. „Die Fehler häuften sich und das ging zulasten des Teams und der Produktivität. Dafür mussten wir eine Lösung finden“, erinnert sich die Chefin des Fensterbaubetriebs Gebr. Gieseler Service GmbH in Hannover.
Der junge Vater hatte zu wenig geschlafen, sich das aber nicht eingestanden. Und auch von sich aus nicht nach der Auszeit gefragt. Gemeinsam hat Beneke mit dem Mitarbeiter an einem Zeitplan für die Elternzeit gearbeitet. Das Team wurde informiert und in die Planung mit eingebunden. „Letzten Endes haben die zwei Monate dem Mann und dem Betrieb gutgetan“, erzählt sie.
Väter fordern die Auszeit ein
Nicht immer war es in dem 25-Mann-Betrieb so, dass Mitarbeiter angesprochen werden mussten. Die ersten Väter, die Elternzeit nahmen, sind mit ihrem Wunsch direkt auf die Chefs des Handwerksbetriebs zugegangen. „Ich fand es damals toll, dass die Mitarbeiter zu uns gekommen sind. Es war am Anfang eine organisatorische Herausforderung. Aber ich wollte es für die Familien unbedingt hinkriegen“, sagt Beneke, die selbst Kinder hat und mit ihrem Mann den Betrieb führt.
Seitdem es das Elterngeld gibt, hätten die Mitarbeiter des Betriebs eine höhere Motivation, ihre Partnerinnen in der Elternzeit zu unterstützen. Andrea Beneke kann das gut verstehen. Denn sie erlebt, dass junge Eltern heutzutage viel mehr leisten müssen, als noch vor einigen Jahren. „Die Großfamilie als Rückhalt ist nicht mehr vor Ort“, betont sie. Zudem forderten junge Mütter heute die Hilfe der Männer deutlicher ein. Da seien die Väter in der Pflicht.
Verschiedene Modelle für Vollzeit und Teilzeit entwickelt
Insgesamt haben sich bereits drei ihrer Mitarbeiter für die Elternzeit entschieden, berichtet die Unternehmerin. Für zwei weitere laufen aktuell die Vorbereitungen. Mit den meisten habe sie Teilzeitarbeit vereinbart, weil sich das mit den jeweiligen Arbeiten auf Montage oder in der Werkstatt gut verträgt.
Beispiel: Zwei Mitarbeiter arbeiteten Montag bis Mittwoch und hatten Donnerstag und Freitag frei, um das lange Wochenende mit der Familie zu genießen und die Frau zu unterstützen. Andere Handwerker arbeiteten halbe Tage – bis zu 30 Stunden in der Woche sind in Elternzeit möglich. Ein Mitarbeiter war zwei Monate am Stück in Vollzeit zuhause, weil sein Wohnort über 100 Kilometer entfernt ist.
Alle Väter sind jeweils zwei Monate in Elternzeit gegangen, berichtet Beneke. Und alle haben sich dafür einen Zeitraum im ersten halben Jahr nach der Geburt ausgesucht. Funktioniert hat das alles nur, weil das gesamte Team gemeinsam die Vertretung geplant und die veränderten Abläufe umgesetzt hat.
Offene Kommunikation und geschickte Planung: So funktioniert es in der Praxis
Die Gebr. Gieseler GmbH hat vor allem auf diese Mittel gesetzt, um die Lücken der jungen Männer in den Vätermonaten zu schließen:
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Offene Kommunikation: Die Chefs haben von Anfang an offen darüber gesprochen, dass sie es begrüßen und alles dafür möglich machen, wenn Mitarbeiter in Elternzeit gehen wollen.
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Vorausschauende Planung: Im günstigsten Fall setzen sich Chef und Mitarbeiter direkt nach der Geburt zusammen und schauen, welcher Zeitpunkt der günstigste für die Elternzeitmonate ist – für Betrieb und Mitarbeiter.
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Gezielte Urlaubsplanung: Wenn die verbleibenden Mitarbeiter im Team keinen Urlaub nehmen, lassen sich die Elternzeiten gut überbrücken.
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Mitarbeiter von Fremdfirmen leihen: Für die Position des Monteurs wurde ein Mitarbeiter von einer anderen Firma ausgeliehen. Somit konnten die Baustellen trotzdem rechtzeitig fertiggestellt werden.
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Umverteilung der Arbeitszeiten: Während Väter aus dem Team fehlen, haben die anderen ihre Arbeitszeiten so organisiert, dass keine Engpässe bei der Fertigstellung von Aufträgen entstehen.
Vorteile: So profitiert der Betrieb von der Elternzeit der Mitarbeiter
So hat sich die Elternzeit der bisher fünf Mitarbeiter auf den Handwerksbetrieb von Andrea Beneke ausgewirkt:
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Die Mitarbeiter sind motivierter, ausgeglichener und entspannter.
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Sie übernehmen leichter Verantwortung und können besser damit umgehen, als vor der Elternzeit.
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Das Geben und Nehmen im Team stärkt den Zusammenhalt im Betrieb.
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Der Familienbetrieb übernimmt die Rolle der früheren Großfamilie, das zahlt auch auf die Mitarbeiterbindung ein.
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Mitarbeiter nehmen nicht mehr alles als gegeben hin, sie hinterfragen mehr.
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Sie sind konfliktfähiger und verbessern ihre Kommunikationsfähigkeit.
Ein Monteur berichtet: So klappt es mit der Elternzeit
Fünf Fragen an Marco Langanke (41), Metallbauer und Monteur bei Gebr. Gieseler in Hannover
Handwerk.com: Was waren Ihre Beweggründe für die Elternzeit?
Marco Langanke: Wir wohnen im Harz und ich schlafe unter der Woche in Hannover oder bin auf Montage und pendele nur an den Wochenenden nach Hause. Das war mir einfach zu wenig Zeit für meine Frau und meine Tochter.
Wie haben Sie den geeigneten Zeitpunkt gefunden?
Langanke: Ich wollte gern in Elternzeit gehen, wenn meine Tochter etwa ein halbes Jahr alt ist. Wir haben uns früh genug zusammengesetzt und nach einem Termin geschaut. Mit intensiver Planung und der Unterstützung des Teams hat das geklappt.
Was haben Sie in der Elternzeit besonders zu schätzen gelernt?
Langanke: Die Zeit mit meiner Frau und dem Baby. Wenn man sonst nur abends oder an den Wochenenden zuhause ist, kriegt man nur einen Ausschnitt von dem mit, was wirklich passiert. Und bei einem kleinen Baby passiert jeden Tag so viel. Ich habe die ausgiebigen Spaziergänge genossen, die Nähe zu meinen Lieben. Und, dass ich das alles an vielen Tagen nacheinander haben konnte.
Ist Ihnen der Wiedereinstieg schwer gefallen?
Langanke: Nein. Wir hatten bereits vor der Elternzeit darüber gesprochen, wie es ablaufen wird. Und ich habe auch innerhalb der zwei Monate Kontakt zum Betrieb gehalten. Ich bin genau wieder da eingestiegen, wo ich aufgehört habe.
Wie hat ihr Umfeld auf Ihre Elternzeit reagiert?
Langanke: Überwiegend positiv. In der Firma war ich damals der erste Vater, der in Elternzeit gegangen ist. Auch im Bekanntenkreis war vorher kein Vater in Elternzeit. Die meisten fanden es toll, dass ich mir die Zeit für die Familie nehme.
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