Wenn Schreinermeister Stefan Peter Kunden zum Aufmaßtermin besucht, kann er mit ihnen entspannt einen Kaffee trinken. Trotzdem hat er in kurzer Zeit jedes Detail ihrer Räumlichkeiten im Kasten, kennt die exakten Maße und Position jeder Wand, jedes Dachschrägenfensters, jeder Steckdose. Das verdankt er einem Gerät mit immenser Präzision, das in der Schreinerei Stefan Peter immer häufiger zum Einsatz kommt: Einem 3D Laserscanner. „Wir haben das Gerät inzwischen etwa an drei Tagen in der Woche im Einsatz“, berichtet der Schreinermeister.
Leicht hat er sich die Investitionsentscheidung in die Technologie nicht gemacht. „Einfache Entfernungsmesser mit Stativ haben wir wegen der Genauigkeit ausgeschlossen und bei den halbautomatischen Systeme muss man bei komplexen Geometrien zu viele Punkte manuell messen“, sagt er. So fiel die Wahl auf ein vollautomatisches System. Gesamtinvestition 100.000 Euro. „Bei den Kosten haben wir erstmal geschluckt“, sagt der Unternehmer.
Lust auf Veränderung
Es ist nicht die erste mutige Investitionsentscheidung des Unternehmers, der heute 45 Mitarbeitende beschäftigt. Gegründet wurde die Schreinerei 1977 als „richtiger Meister-Eder-Betrieb“ durch Peters Vater. Zehn Jahre später stieg Stefan Peter in das Unternehmen ein. 15 Jahre arbeitete er an der Seite seines Vaters, bevor er die Schreinerei 2002 übernahm. Ein kleiner 2-Mann-Betrieb sei die Schreinerei damals noch gewesen. Peter war klar: Auf Dauer würde der Betrieb in dieser Größe nicht überleben. Eine Teamstärke von wenigstens sechs Leuten schwebte dem jungen Unternehmer vor. 2008 erreichte er diese zwischenzeitliche Zielstärke.
Dann kam ein Blechverarbeiter auf Stefan Peter zu. Der unterhielt eine eigene Schreiner-Abteilung, die Unterfütterungen für Blechverkleidungen fertigte. Die Abteilung wollte er an Peter auslagern. Vor allem große vorkonfektionierte Platten sollten die Schreiner für den Auftraggeber bearbeiten. „Dafür waren wir damals viel zu klein“, erinnert sich Peter. Doch er hatte Lust auf Veränderung und den Mut sie umzusetzen. „Ich sagte zu und wir bauten innerhalb von sechs Wochen eine zusätzliche Fertigung auf.“ Diese Kooperation sollte den Weg seines Unternehmens nachhaltig beeinflussen.
Das Geschäft des Blechverarbeiters veränderte sich und er brauchte nun einen Partner, der CNC-fräsen konnte. Die Schreiner sollten in eine CNC-Maschine investieren; im Gegenzug versprach der Auftraggeber eine Auslastung der Maschine von vier Stunden täglich für drei Jahre. „Zu dem Zeitpunkt hatte ich noch gar keine Ahnung von der CNC-Technik. Aber neugierig war ich auf die Technik“, berichtet der Unternehmer. Wieder stimmte Peter zu und investierte.
Ausbauten für die Schiene
Als sein Auftraggeber einen Zuschlag für Zugausbauten der österreichischen Staatbahn bekam, öffnete sich für die Schreiner plötzlich ein ganz neuer Kundenkreis. Spezialgebiet: Bordküchenverkleidungen. „Inzwischen sind wir Deutschlands größter Bordküchenverkleidungshersteller“, sagt Peter. Das Geschäft entwickelte sich rasant und macht heute 40 Prozent des Umsatzes aus. Insgesamt 250 Züge habe das Unternehmen ausgestattet, darunter den ICE 4 und den ICE 3 Neo sowie verschiedene Züge aus Österreich, Australien, England.
„Hat man sich erstmal einen Namen erarbeitet, kommen die Anfragen von allein“, stellt der Schreinermeister fest. Mit der Zeit wandte sich der neue Kundenstamm auch mit kompliziertesten Arbeiten an die Schreiner: zum Beispiel Innenausbauten alter Wagons, für die es keine digitalen Konstruktionsdaten gab. Aufwendig seien solche Aufträge, weil man für sie Schablonen anfertigen müsse. Beim Scannen entfällt dieser Schritt hingegen. „Da ist die Idee gereift, anstelle von Schablonen ein digitales Aufmaßsystem einzusetzen“, sagt Peter.
„Absolut exakt“
Die Kaufentscheidung fiel 2021. Der Hersteller des Scanners hat dem Unternehmen die Entscheidung erleichtert, indem er einen mehrwöchigen Test gestattete. Der Zeitpunkt passte perfekt: Gerade hatten die Schreiner einen Auftrag zum Treppenbau in einer Yacht angenommen. Innerhalb eines Tages flogen sie mit dem Laserscanner für die Messung nach Mallorca. Würde sich der Wellengang im Hafen auf die Messgenauigkeiten auswirken? Das Team wollte kein Risiko eingehen und fertigte die Treppenstufen vorsichtshalber mit drei Millimeter Übermaß, erinnert sich Peter. Doch diese Vorsichtsmaßnahme hätte es nicht gebraucht. „Die Messungen waren absolut exakt.“
Die Toleranz des Geräts liege bei einem Abstand von zehn Metern zum Messkörper bei 0,2 Millimeter. Das Raster der Messpunkte lasse sich individuell einstellen. „Wir messen mit 6 Millimeter in der Breite und 10 in der Höhe für normale Wohnbereiche. Aber es geht auch auf 1,8 mal 1,8 Millimeter runter.“ Drei Minuten dauere ein kompletter Scan, dann erneut drei Minuten um Farbbilder zu erstellen, die den Messpunkten zugeordnet werden. So entstünden pro Aufmaß Daten von ein bis zwei Gigabyte. Zur Verarbeitung wollte der Betrieb anfangs einen gut ausgestatteten Rechner von der Konstruktion nutzen. Ergebnis: „Der hat beim Laden der Daten stillgestanden“, erzählt der Unternehmer. Erst ein Highend-Gaming-PC mit Flüssigkeitskühlung war der Aufgabe gewachsen. Kostenpunkt: 10.000 Euro. Ähnlich viel zahlte der Betrieb für die benötigte Software, 80.000 entfielen auf das Messgerät selbst.
Zeichen stehen auf Wachstum
„Mittlerweile messen wir fast alles mit dem System auf, weil man einfach nichts mehr vergessen kann“, sagt Peter. Zuletzt erwies sich die Technik für einen Innenausbau eines denkmalgeschützten Penthouse in Wien als nützlich. „Wir waren mit dem Architekten vor Ort und haben aufgemessen. In derselben Woche rief er an, um nach den Maßen der Dachfenster zu fragen. Die haben wir direkt parat gehabt“, erzählt der Meister. Zwei Wochen nach Auftragsabschluss rief der Kunde an und bestellte noch drei Sideboards, die auf die Räume zugeschnitten werden sollten. „Normalerweise wären wir dafür wieder vier Stunden nach Wien und vier Stunden zurückgefahren. So aber hatten wir die Maße schon und konnten den Auftrag sehr unkompliziert realisierten“, sagt Peter.
Manche Unternehmen beauftragen den Betrieb schon als Dienstleister für Scans zum Beispiel von technischen Konstruktionen, für die es keine Daten gibt. Diesen Service will Stefan Peter künftig ausbauen: „Wir wollen Laserscans als Dienstleistung anbieten, zum Beispiel für alte Häuser, zu denen keine Baupläne mehr existieren.“
Auch sonst hat der Unternehmer noch viel vor. Im nächsten Jahr will er das aktuell vermietete zweite Stockwerk seiner Fertigungshalle ausbauen. „Dann haben wir insgesamt 3500 Quadratmeter Fertigungsfläche“, sagt der Schreinermeister. Auch eine zweite 5-Achs-CNC-Fräse will sich der Betrieb zulegen. Und gleichzeitig das Team für die wachsenden Aufgaben vergrößern. „Ich könnte sofort 15 Leute einstellen.“