Das Bundesarbeitsministerium hat die Allgemeinverbindlichkeit des Soka-Bau-Tarifvertrags erklärt (wir berichteten). Die Folge: Ab sofort müssen alle unter den Soka-Tarif fallenden Bau- und Ausbetriebe einen Mindestbeitrag zur Berufsausbildung zahlen. Es geht um 900 Euro im Jahr.
Viele Betroffene haben für diese Entscheidung des Bundesarbeitsministeriums kein Verständnis. Sie fragen sich: Wieso soll eine Regelung, die zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ausgehandelt wird, auch für Solounternehmer gelten, die weder das eine noch das andere sind?
Was kostet der Rechtsweg?
Doch lässt sich daran auf dem Rechtsweg noch etwas ändern, zum Beispiel mit einem Musterprozess? Das ist eine Möglichkeit, die derzeit jene Handwerker diskutieren, die sich in der Facebookgruppe "Handwerker gegen Soka-Willkür 2015" organisieren.
Dafür brauchen sie allerdings einen langen Atem – und viel Geld. Mit "10.000 bis 12.000 Euro Prozesskosten – pro Instanz" rechnet Wolf J. Reuter, Fachanwalt für Arbeitsrecht von der Wirtschaftskanzlei Beiten Burkhardt in Berlin, für so einen Musterprozess. Die genaue Höhe hänge vom Gegenstandswert ab, den die Gerichte festlegen. In einem vergleichbaren Prozess habe das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg, in erster Instanz zuständig für solche Verfahren, den Gegenstandswert auf 500.000 Euro festgelegt. Daher die fünfstelligen Prozesskosten, erklärt Reuter.
Und wie stünden die Chancen im Rechtsstreit gegen den Soka-Tarif?
Angreifbar sei die Regelung, weil sie die Grenzen des Tarifvertragsgesetzes (TVG) überschreite, sagt der Experte. "Das TVG erlaubt nur, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer miteinander Regelungen treffen." Solounternehmer seien weder das eine noch das andere.
Ob allerdings das LAG Berlin-Brandenburg diese Ansicht teilt, daran hat Reuter zumindest Zweifel: "Unsere Erfahrungen aus anderen Prozessen zeigen, dass die Arbeitsgerichte eine recht unkritische Haltung gegenüber den Allgemeinverbindlichkeitserklärungen für Soka-Tarife pflegen." Und dann? Gegen ein solches Urteil könne Beschwerde beim Bundesarbeitsgericht eingelegt werden, und falls auch das die AVE durchwinkt, blieben noch Bundesverfassungsgericht (BVerfG) oder Europäischer Gerichtshof (EuGH).
Leicht sei das allerdings nicht, vor allem nicht beim Bundesverfassungsgericht. "Eine Verfassungsbeschwerde ist schon rein formal ein gigantischer Akt", sagt Reuter. "Da müsste man überzeugend mit einer Grundrechtsverletzung argumentieren, der nicht anders abgeholfen werden kann. Sonst wird die Beschwerde gar nicht erst zur Entscheidung angenommen."
Die besseren Chancen sieht der Jurist vor dem EuGH. Der Grund: "In der EU-Grundrechte-Charta gibt es ein Grundrecht, das es so in Deutschland nicht gibt – das Grundrecht auf unternehmerische Freiheit in Artikel 16 der Charta." Werde Unternehmen wie in diesem Fall ein Tarifvertrag von außen übergestülpt, dann könne nur der EuGH entscheiden, ob das noch verhältnismäßig ist. Aber auch da bleibt es schwierig, denn EU-Grundrechte sind nur anwendbar, wo es auch irgendeine Regelungsmacht der Union gibt.
LAG – BAG – EuGH, also ein sehr langer Rechtsweg– aber ist das wirklich sinnvoll? Reuter: "Ich habe den Eindruck, dass die Tarifparteien eine Entscheidung des EuGH unbedingt vermeiden wollen, weil der solche Fragen sehr kritisch sieht."
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