Immer mehr Möglichkeiten, zunehmende Aufgaben und obendrein sinkt der Personalstand. So beschreibt Häfele das Spannungsfeld, in dem Schreiner und Tischler bestehen müssen. Das Unternehmen wolle Betrieben dort Arbeit abnehmen, wo Entlastung gefragt ist, erklären erklären Häfele Verkaufsleiter Nikolas Bransch und Stephanie Kellner, Leiterin Product & Category Management Service+.
Gestaltung zieht junge Menschen an
Wo sehen Sie die größte Herausforderung im Holzhandwerk?
Bransch: Das fehlende Personal auf der Seite unserer Kunden ist natürlich ein großes Thema. Nicht nur für die laufenden Geschäfte. Ein Mangel an Nachfolgern kann dazu führen, dass das Handwerk immer kleiner wird und damit auch Relevanz in der Gesellschaft verliert. Damit das nicht passiert, muss der Beruf schön bleiben und die schönen Seiten müssen sichtbarer werden und Leute locken.
Was braucht es, damit das Holzhandwerk als berufliche Option mehr Aufmerksamkeit bekommt?
Bransch: Der Aspekt Gestaltung hat bei vielen Schreinern und Tischlern im Möbelbereich stark an Bedeutung gewonnen. Der Trend setzt sich fort: Die Unternehmen sind nicht mehr „nur“ Holzbearbeiter sondern werden zu Innenarchitekten und Raumplanern. Das zieht auch mehr junge Menschen an, die Spaß an Gestaltung haben.
Entlastung nach Bedarf
Wie sehen Sie Ihre Rolle in dieser Entwicklung?
Bransch: Wir wollen die Schreiner und Tischler dazu befähigen, mehr zu bieten, ohne mehr können zu müssen. Beim Thema Beleuchtung heißt das zum Beispiel: Sie können mit uns Raum- und Möbellicht planen und umsetzen, ohne Elektriker sein zu müssen oder dessen Unterstützung zu benötigen. Außerdem wollen wir die Holzhandwerker bei Bedarf in ihren Aufgaben entlasten – je nach Wunsch in verschiedenen Fertigungstiefen.
Wie kann diese Entlastung aussehen?
Kellner: Fehlen Tischlern und Schreinern für bestimmte Arbeiten die Zeit, die Kapazitäten oder die Kenntnisse, bieten wir an, ihnen dort gezielt Arbeit abzunehmen. Das machen wir im Rahmen unserer Plus-Services bestehend aus Wissensvermittlung, Planungs- oder Fertigungsunterstützung sowie persönlicher Beratung und Betreuung auch nach dem Kauf. Die Handwerksbetriebe können zu jedem Zeitpunkt projektspezifisch entscheiden, was sie in Anspruch nehmen wollen.
Wie hilft das Betrieben, ihr Angebot zu erweitern?
Kellner: Das wird zum Beispiel im Bereich Beleuchtung deutlich. Artikelnummern und Bilder verschiedener Lampen überzeugen keinen Kunden, eine individuelle Lichtlösung zu erwerben. Wer komplette Räume mit Licht in Szene setzen und das verkaufen will, braucht eine gute Visualisierung. Die können Handwerker selbst erstellen, wenn sie es schon können, oder sich bei uns Unterstützung suchen. So erhalten sie Beleuchtungsvorschläge in der 3D-Planung, die Lichteffekte dreidimensional erlebbar machen. Wer zum Beispiel die Lichtsystem- und Montageplanung einige Male gesehen hat, kann sie oft schon selbst anbieten.
Inwiefern hilft 3D-Planung den Betrieben in der Außenwirkung?
Kellner: Ich denke sie hilft, den Beruf attraktiver zu präsentieren. Und unsere gesamte Branche ist angehalten, daran mitzuwirken. Im Bereich Marketing kann man 3D-Planungen zum Beispiel mit digitalen Showrooms sichtbar machen. So sehen Kunden vom Sofa aus, was Tischler und Schreiner für sie leisten können. Wir haben das in der Pandemie mit unserem interaktiven Online-Messeauftritt gezeigt. Künftig wollen wir, dass auch Handwerker dieses Showroom-Format nutzen können, um Kunden zu inspirieren: Was im ersten Schritt unser Showroom war, könnte so zum individuellen Showroom des Schreiners werden.
Kundenbetreuung übernehmen
Wie ermitteln Sie den aktuellen Bedarf von Tischlern und Schreinern nach neuen Angeboten?
Kellner: Wir suchen den direkten persönlichen Austausch mit Tischlern und Schreinern. Ein gutes Beispiel dafür ist unsere Häfele Tournee, die wir letztes Jahr durch Deutschland gemacht haben. Dort haben wir vor Ort Abfragen gestartet, zu Themen wie „Was ist euch wichtig im Bestellprozess?“, „Mit welchen Angeboten können wir euch unterstützen?“ Die Unternehmen waren bereit, sich mit uns hinzusetzen und nach Lösungsansätzen zu suchen. Diese Abfragen haben wir ergänzt durch gezielte Befragungen bei Tischlern und Schreinern vor Ort.
Was für Bedürfnisse förderte das zu Tage?
Bransch: Etwas, das wir basierend auf dem Feedback der Unternehmen ins Leben gerufen haben, ist unsere Endkundenhotline. Wenn der Schreiner beim Kunden zum Beispiel die Beleuchtung ordnungsgemäß installiert hat, sein Kunde aber noch Fragen zur Technik hat, dann können wir diesen Kunden per Hotline übernehmen. Ebenso sind einige Holzhandwerker weniger daran interessiert, nach getaner Arbeit stundenlang Lichtszenarien für Küche, Wohn- und Schlafzimmer beim Endkunden einzustellen. Auch das wollen wir auf Wunsch übernehmen.
Inwiefern spielen moderne digitale Kommunikationsmittel bei Ihnen jetzt und künftig eine Rolle?
Bransch: Wir bieten Fernwartung am Telefon mit einer Augmented-Reality-App an. Nicht immer muss ein Fachberater vor Ort sein, um ein Problem zu lösen. Lädt der Kunde sich unsere App herunter, bekommt er einen Code, über den er sich mit dem Berater in einem datenschutzkonformen Bereich zusammenschaltet. Per Videotelefonie kann er zeigen, wo das Problem liegt und der Berater kann nicht nur mündliche Tipps geben, sondern zum besseren Verständnis auch in das Livebild hineinzeichnen.
Stichwort KI: Welche Potenziale sehen Sie in künstlicher Intelligenz?
Bransch: Für die nahe Zukunft haben wir schon Szenarien im Kopf, KI-Ansätze zu implementieren. Aber wir werden sie erst nutzen, wenn die KI zuverlässig intelligente, richtige und hilfreiche Antworten geben kann. Überall, wo Menschen besser sind als eine künstliche Intelligenz, sollen auch weiterhin Menschen arbeiten. Mir ist wichtig, wenn wir über Digitalisierung reden, dass wir alle weiterhin den Umgang mit richtigen Menschen brauchen. Der persönliche Kontakt wird immer die größte Rolle spielen.