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Strategie

Digitalisierung: Kleiner Handwerksbetrieb, große Ersparnis

Matthias Vielstädte setzt seit mehr als 15 Jahren auf Digitalisierung. Die Bilanz: Klare Strukturen, Kostenersparnis, zufriedene Kunden und Mitarbeiter. Doch längst nicht alle Betriebe sehen diese Chancen, ergibt eine aktuelle Studie.

Auf einen Blick:

  • Knapp ein Drittel der Handwerksbetriebe haben keinen Bedarf an Digitalisierung, ergibt die aktuelle Kfw-Studie
  • Betriebe, die in Digitalisierung investieren wollen, sehen die Chancen, die ihnen die neuen Technologien bieten.
  • Tischlermeister Matthias Vielstädte hat vor 15 Jahren mit der Zeiterfassung begonnen. Seitdem läuft in seinem Betrieb noch viel mehr digital.
  • Der Unternehmer rät auch anderen Betrieben zur Einführung digitaler Prozesse. Die Vorteile liegen für ihn auf der Hand.

Kein Bedarf an Digitalisierung? Im Handwerk ist nicht jeder Betrieb offen für das Thema: Knapp 30 Prozent sehen laut einer aktuellen Kfw-Studie gar keinen Handlungsbedarf. Die Macher der Studie mit über 2000 Teilnehmern, davon 60 Prozent aus dem Handwerk, haben dafür eine Erklärung: Eine digitale Vernetzung der Produktion und mit Kunden oder Zulieferern könne in kleinen, lokal tätigen Betrieben weniger erforderlich sein als größeren Firmen.

Digitalisierung als klarer Wettbewerbsvorteil

Doch für andere Betriebe ist Digitalisierung eines der wichtigsten Themen im Arbeitsalltag. Matthias Vielstädte zum Beispiel ist schon seit Jahren aufgeschlossen für das Thema. Der Tischlermeister aus Ostercappeln hat vor mehr als 15 Jahren eine digitale Zeiterfassung in seinem 10-Mann-Betrieb eingeführt. Und das war nicht alles. Nach und nach hat Vielstädte die Hard- und Software erweitert: Hinzu kamen beispielsweise eine digitale Materialerfassung und –bestellung, eine vollelektronische Preisanfrage bei Lieferanten und eine Software für den Fensterbau.

Was sind die Beweggründe des Handwerksmeisters für die Umstellung? „Ich möchte meinen Betrieb kennen und den Überblick haben. Durch die Software arbeite ich in Echtzeit, kann mit dem Material und der Arbeitszeit meiner Mitarbeiter genau planen und eingreifen, wenn es eng wird“, erklärt Vielstädte. Die Abläufe sind effektiver geworden, Strukturen und Standards sind klar definiert.

Diese 4 Gründe sprechen für die Digitalisierung

Die Vorteile liegen für den Unternehmer auf der Hand. Das verdeutlichen diese Beispiele:

  • Zeitersparnis durch Zeiterfassung: Für das Lesen, Erfassen und Auswerten aller Stundenzettel musste seine Frau früher im Büro knapp einen Arbeitstag pro Monat aufwenden. Mit der Zeiterfassungssoftware sind es im Monat nur noch 20 Minuten. „Fair gegenüber dem Team ist es außerdem“, sagt Vielstädte. Denn seine Leute bekommen eine minutengenaue Abrechnung.

  • Kostenersparnis: Durch das neue digitale Bestellwesen hat der Betrieb die Fehler- und Reklamationsquote gesenkt. Sie geht gegen Null. Zudem hat er damit eine ganz andere Verhandlungsposition bei den Lieferanten. „Ich bin bei vielen ein A-Kunde, sie wissen den geringen Aufwand zu schätzen“, betont er. Nach der Umstellung auf das System habe er im ersten Jahr allein mehr als 10 Prozent Materialkosten eingespart.

  • Kundenbindung: Kunden rufen in der Tischlerei an und beziehen sich auf einen Auftrag, der mehrere Jahre zurückliegt. Vielstädte muss bei Fragen nur in das Projekt schauen und hat alle Daten mit nur einem Klick beisammen. So kann er genau sehen, welche Teile er verbaut hat und diese passgenau nachbestellen. „Die Kunden wissen das zu schätzen, das spüren wir“, sagt er.

  • Mitarbeiterzufriedenheit: Nicht nur bei den Kunden, sondern auch bei den Mitarbeitern kommt es gut an, dass auf der Baustelle ein Tablet zu den täglichen Arbeitsmaterialien gehört. Mitarbeiter können damit den Kunden den Stand ihres Projekts präsentieren. Und sie erhalten über das System wichtige Infos, die der Chef aus dem Büro oder der Werkstatt rüberschickt. „Wir sind untereinander vernetzt. Das erleichtert und optimiert die Arbeitsabläufe und minimiert doppelte Wege“, sagt der 55-Jährige.

Digitalisierung heißt nicht gleich hohe Kosten

Anderen Betrieben möchte der Handwerksunternehmer die Scheu vor der Einführung digitaler Prozesse nehmen. Für „großen Investitionen“ hält er seine Anschaffungen nicht.

Beispiel Hardware: „Für die sechs Computer, die wir vor zwei Jahren angeschafft haben, waren etwa 2500 Euro fällig – eine Summe, die für einen Betrieb unserer Größe durchaus zumutbar ist. Und es hat sich wirklich gelohnt.“ Die Anschaffung von Tablets sei in der heutigen Zeit auch keine große Sache mehr. Für 350 Euro bekommen man ordentliche Qualität, die im Betriebsalltag durchaus nützlich sei.

Beispiel Software: Für die modular aufgebaute Software, die Zeiterfassung, Kalkulation und Bestellung beinhaltet, hat er einen kleinen vierstelligen Betrag ausgegeben. Der Vorteil des modularen Aufbaus einer Software: „Ich kann mit einem Modul starten und nach und nach dazukaufen – oder eben nicht“, betont Vielstädte. Dabei seien die einzelnen Module unterschiedlich aufwendig und unterscheiden sich im Preis.

Ziel: Weniger Papier, noch mehr Vernetzung

Für die Zukunft wünscht sich Vielstädte, dass sein Betrieb noch papierloser wird - vor allem im Büro. Das gesamte Dokumentenmanagement laufe schon elektronisch. Aber es gäbe noch Optimierungsbedarf.

Zudem überlegt er, auch in der Werkstatt zu den sechs digitalen Arbeitsplätzen auch Tablets anzuschaffen. „Es geht immer weiter. Wichtig ist, dass wir den Anforderungen von außen gerecht werden und Neuerungen eng auf unsere Bedürfnisse zuschneiden“, sagt der Unternehmer.

Die Lage im Handwerk? Ergebnisse der Kfw-Studie im Überblick

Weitere Ergebnisse der Studie „Digitalisierung der Wirtschaft: breite Basis, vielfältige Hemmnisse“ kurz zusammengefasst:

  • Pläne: 30 Prozent der Betriebe planen in den kommenden zwei Jahren Investitionen in Digitalisierung. Über 40 Prozent haben hingegen nicht vor, dafür Geld auszugeben und knapp 30 Prozent sind noch unentschieden.

  • Gründe: Knapp 90 Prozent der Handwerksbetriebe gaben an, die Chancen der neuen Technologien und Anwendungen nutzen zu wollen, die die Digitalisierung bietet. Der Forderung von Endkunden wollen 28 Prozent der Betriebe entsprechen. Und 22 Prozent reagieren auf den Wettbewerbsdruck am Markt.

  • Hindernisse: Schwierigkeiten bei der Anpassung der Unternehmens- oder Arbeitsorganisation geben 36 Prozent der Befragten an. Einem Drittel der Betriebe fehlt eine entsprechende Internetverbindung. Die Anforderungen an den Datenschutz und der Datensicherheit stellen für 32 Prozent eine Hürde dar. Und 27 Prozent der Betriebe sind sich unsicher in Bezug auf zukünftige Technologien und Standards.

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