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Recht

Mindestlohn gilt auch in der Familie!

Der Mindestlohn ist beschlossene Sache. Auch Familienmitglieder haben darauf Anspruch. Doch es gibt viele Sonderfälle. Was genau für die mitarbeitende Partnerin, Kinder oder Eltern gilt, erfahren Sie hier.

Mindestlohn 8,50 Euro? In manchen Branchen sorgt das für helle Aufregung. Das Handwerk nimmt es überwiegend gelassen. Denn in vielen Gewerken regeln längst Tarifverträge die Mindestvergütung – und oft sind es deutlich mehr als 8,50 Euro pro Stunde.

Nicht jeder hat das im Blick...

Was allerdings nicht jeder Firmenchef im Blick hat: Ein Mindestlohn gilt auch für mitarbeitende Familienmitglieder. „Das ist nicht jedem so richtig bewusst“, sagt Wolfgang Miethke, Betriebsberater der Handwerkskammer Hildesheim-Südniedersachsen. Gründe dafür gibt es einige: „Oft steckt da die Idee in den Köpfen, dass man sich in der Familie hilft und das ja allen zugutekommt“, berichtet Miethke. Vor allem dann, wenn das Familienmitglied anfangs nur gelegentlich aushilft. „Da denkt nicht jeder automatisch darüber nach, ob das vielleicht sozialversicherungspflichtig sein könnte.“

… im Gegensatz zu den Prüfern

Ganz anders als die Betriebsprüfer der Rentenversicherung. Oder als die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) vom Zoll. Beide Behörden kontrollieren die Mindestlöhne – auch bei Familienangehörigen. „Darum muss man sich kümmern, denn Irrtümer und Unkenntnis schützen nicht vor Strafe“, warnt Miethke.

Dabei ist die Frage nach dem Mindestlohn gar nicht so einfach zu beantworten. Nicht jedes Familienmitglied hat Anspruch darauf. Und selbst wenn: Mindestlohn ist nicht gleich Mindestlohn.

1. Frage: Sozialversicherung – wie ist der Status?

„Handelt es sich um einen Arbeitnehmer oder um einen Mitunternehmer?“ Das ist die erste Frage, die sich ein Betriebsprüfer der Rentenversicherung stellen würde. „Davon hängt alles ab, denn nur Arbeitnehmer müssen den Mindestlohn erhalten“, sagt Ute Schwiegershausen, Geschäftsführerin der Unternehmensverbände Handwerk Niedersachsen (UHN).

Die Rentenversicherung überprüfe den Status anhand mehrerer Kriterien: Ist das Familienmitglied wie ein normaler Arbeitnehmer in die betrieblichen Abläufe integriert? Gibt es einen Arbeitsvertrag? Einen klar abgegrenzten Aufgabenbereich? Geregelte Arbeitszeiten? Angemessene Vergütung? Anwesenheitspflicht im Betrieb? Ist das Familienmitglied weisungsgebunden?

Auch die praktische Umsetzung interessiert die Rentenversicherung: Fließen zum Beispiel regelmäßige Gehaltszahlungen auf das Girokonto des Familienmitglieds? „Schon das kann ein Problem sein“, warnt Schwiegershausen. In der Praxis hätten die Ehegatten häufig ein gemeinsames Konto – dadurch werde der Nachweis des Arbeitnehmerstatus schon schwerer.

Noch schwerer wird er, wenn das Familienmitglied indirekt am Unternehmen beteiligt ist. „Dann gilt es als Mitunternehmer und nicht als Arbeitnehmer“, sagt Schwiegershausen. Dazu genüge es schon, wenn das Familienmitglied mit im Risiko ist, zum Beispiel durch eine Bürgschaft oder ein Darlehen.

Vom Status als Arbeitnehmer hängt nicht nur der Mindestlohn ab, sondern auch die Ansprüche auf Leistungen der Sozialversicherungen. Ein doppelter Grund für Schwiegershausen, den Status regelmäßig zu überprüfen. „Es kann ganz gravierende Folgen haben, wenn das nicht richtig geklärt ist – für das Familienmitglied und für den Betrieb.“

2. Frage: Welcher Mindestlohn gilt?

8,50 Euro beträgt der gesetzliche Mindestlohn ab 1. Januar 2015. Doch das ist nicht automatisch die Untergrenze für jeden – und auch nicht die Obergrenze.

Fällt im Betrieb der tarifliche Mindestlohn schon jetzt höher aus als 8,50 Euro, so gilt er auch weiterhin. Gilt für einen Betrieb hingegen ein niedrigerer tariflicher Mindestlohn, so kann der noch bis Ende 2017 gezahlt werden. „Aber ich verstehe das Gesetz so, dass die Frist bis Ende 2017 nur für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge gilt, und das ist in vielen Gewerken nicht der Fall“, sagt Schwiegershausen. Ihr Rat: Erkundigen Sie sich bei Ihrer Innung, welche Regelung für Sie gilt.

Im Einzelfall sind jedoch nicht nur Tarif und gesetzlicher Mindestlohn entscheidend, betont die Expertin. „Mindestlohn bedeutet nicht, dass ich für jede Tätigkeit nur 8,50 Euro zahlen muss“. Ist zum Beispiel ein Sohn als Meister im Betrieb angestellt, dann stehe ihm auch ein Meistergehalt zu. Regelt das nicht schon ein Tarifvertrag, dann müsse die Vergütung ortsüblich und der Tätigkeit angemessen sein.

3. Frage: Könnte es eine Ausnahmeregelung geben?

Das Mindestlohngesetz sieht eine Reihe von Ausnahmen vor. Sie gelten auch für mitarbeitende Angehörige. Vom gesetzlichen Mindestlohn ausgenommen sind: Auszubildende (altersunabhängig), alle Jugendlichen unter 18 ohne abgeschlossene Ausbildung, Praktikanten in den ersten 3 Monaten des Praktikums (das gilt nur, wenn es sich um einen Pflichtbestandteil der Ausbildung handelt oder um ein Praktikum zur Berufsorientierung) und Langzeitarbeitslose in den ersten 6 Monaten.

Sozialversicherungspflicht – warum sich die Statusprüfung immer lohnt!

Der Status als Arbeitnehmer ist nicht nur für den Mindestlohn entscheidend. „Mitarbeitende Angehörige und vor allem die Unternehmerfrauen sollten unbedingt ein Statusfeststellungsverfahren in die Wege leiten“, sagt Heidi Kluth. Die Bundesvorsitzende der Unternehmerfrauen im Handwerk (UFH) hat sich jahrelang für die Pflichtüberprüfung eingesetzt – mit Erfolg. Seit 2005 ist die Statusfeststellung bei neuen Arbeitsverhältnissen obligatorisch.

Aussitzen kann richtig teuer werden!

Immerhin geht es nicht nur um Versicherungsbeiträge, die zu zahlen sind, sondern auch um Ansprüche auf Leistungen aus Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Erwerbsminderungsrente. Doch gerade bei älteren Unternehmerfrauen sieht Kluth noch immer Nachholbedarf. „Manche denken, mit Anfang 60 sei es vielleicht besser, nicht mehr daran zu rühren vor der Rente“, berichtet Kluth. Das sei ein Fehler, denn es könne dadurch zu Nachteilen kommen.

Die Gefahr: Kommt erst dann heraus, dass die Ehefrau nicht als Arbeitnehmerin galt, ist sie auch nicht mehr pflichtversichert in der gesetzlichen Krankenversicherung. Bei einer freiwilligen Krankenversicherung werden Beiträge auf alle Einkommensarten erhoben. Die Rentenbeiträge könne sie allerdings als freiwillige Beiträge stehen lassen und bekomme entsprechend Rente. Kluths Rat: „Je eher ich mich darum kümmere, desto leichter kann ich noch selbst entscheiden, wie es weitergeht.“

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