Auf einen Blick:
- Zahlungsausfälle lassen sich auf mehrere Arten vermeiden. Idealerweise noch bevor man die Arbeit aufgenommen hat. Doch auch nach Rechnungsstellung gibt es Hoffnung.
- Was nutzen Inkasso, gerichtliches Mahnverfahren oder der Gang zum Anwalt? KMU-Berater Werner Broeckmann kennt die Antwort.
- Sein Favorit, um sich vor Katastrophen zu schützen: die Forderungsversicherung.
Sie haben gute Arbeit geleistet, doch der Auftraggeber zahlt nicht? Mit solch unfairem Verhalten richtig umzugehen, ist keine leichte Aufgabe. Gekränkte Auftragnehmer, die ihr Werk als Racheakt wieder zerstören, versteht man da allzu gut – auch wenn sie sich damit meist zusätzlich schaden.
Der KMU-Berater Werner Broeckmann weiß, wie Handwerksunternehmen das Risiko von Zahlungsausfällen und die Höhe der Verluste minimieren. Der Geschäftsführer der Succeed Unternehmensberatung in Kevelaer hat viele Jahre als kaufmännischer Leiter und Geschäftsführer in der Bauwirtschaft gearbeitet und dabei selbst manch kritische Zahlungssituation mit Auftraggebern erleben müssen. „Wir hatten in einem Bauunternehmen früher eine feste Regel: Solange wir nicht adäquat abgesichert sind, fangen wir nicht an zu arbeiten“, sagt Broeckmann. Zu dieser Einstellung rät er Betrieben auch in der aktuellen Marktsituation, die von rückläufigen Baugenehmigungen geprägt ist. Die letzte echte Baukrise liege ungewöhnlich lange zurück, gibt der Berater zu bedenken.
Das Risiko von Zahlungsausfällen sollten Betriebe laut Broeckmann bestenfalls reduzieren, bevor sie einen Auftrag annehmen. Aber auch während der Bauphase oder nach Rechnungsstellung gibt es Möglichkeiten. „Im Zweifel braucht man dann einen langen Atem“, Broeckmann.
[Tipp: Weitere Tipps zur Unternehmensfinanzierung Betrieb liefert der kostenlose handwerk.com-Newsletter. Jetzt hier anmelden!]
Wenn der Auftraggeber die Rechnung nicht zahlt
Ist die Arbeit erledigt und der Kunde zahlt nicht, lassen sich einige Hebel in Bewegung setzen, um Druck auszuüben. Größte Schwierigkeit dabei, den Auftraggeber zum Zahlen zu bewegen: „Der Kunde schiebt im Regelfall Gründe vor und behauptet Mängel in der Ausführung“, erklärt Werner Broeckmann. Diese drei Optionen stehen Betrieben zur Verfügung.
Option 1: Anwalt, übernehmen Sie!
„Wer auf einen Kunden etwas Druck ausüben möchte, kann seinen Anwalt ein Mahnschreiben aufsetzen lassen. So demonstriert man seine Streitbereitschaft“, erklärt Broeckmann. Bei säumigen Privatkunden könne man damit bereits Erfolg haben. „Bei hart gesottenen Generalunternehmern dürften Sie damit aber eher auf Granit beißen“, prognostiziert der Berater.
Wer den Streit eskalieren lässt und klagt, sollte viel Geduld und Nerven mitbringen. „Mit fünf Jahren sollte man für so einen Prozess rechnen. Entscheidend ist auch eine gute Baustellendokumentation, denn der Anwalt muss über den Vertrag und die geleisteten Arbeiten, Verzögerungen und andere Details des Bauprozesses genau informiert sein und dies im Prozess auch vortragen können.“
Option 2: Das gerichtliche Mahnverfahren
„Das gerichtliche Mahnverfahren würde ich beantragen, wenn zwar ein Mangel behauptet wird, ich aber absolut sicher bin, dass ich die Leistung einwandfrei erbracht habe. Dies eignet sich vor allem im privaten Bereich, da hier die Sachverhalte häufig weniger komplex sind“, sagt Werner Broeckmann. Gegen eine kleine Gebühr können Auftragnehmer online einen Erlass eines Mahnbescheids gegen den zahlungsunwilligen Kunden beantragen. Daraufhin stellt das Gericht dem Schuldner einen Mahnbescheid zu.
Für den Antrag haben die Deutschen Mahngerichte die Website https://www.online-mahnantrag.de erstellt. „Man sollte aufpassen, dass man nicht auf versehentlich auf einer anderen Website gewerblicher Anbieter landet“, sagt Broeckmann. Das umfangreiche Antragsformular wird ausgefüllt, anschließend gespeichert und zum Beispiel per Postweg an das Mahngericht übermittelt.
Tipp: Bevor man den Antrag einreicht und ein Mahnverfahren eingeleitet wird, könne man dem Kunden noch einen Ausweg anbieten. Zum Beispiel mit einer E-Mail an ihn, die das ausgefüllte Dokument enthält, und dem Satz: „Anbei erhalten Sie den Mahnantrag, den ich gleich bei Gericht einreichen werde, zur Kenntnis.“ „Vielleicht reagiert der Kunde dann ganz plötzlich“, sagt Broeckmann.
Option 3: Inkasso – Ärger outgesourced?
Wer sich mit der Forderung nicht selbst herumschlagen will, kann ein Inkasso-Unternehmen einschalten, das die Forderung gegen eine Gebühr beim Auftraggeber geltend macht. Zum Ziel führe das jedoch nur, wenn der Kunde einsichtig ist und nicht wegen vorgeschobener Mängel die Zahlung verweigert.
„Macht der Kunde angebliche Mängel geltend, kann das Inkasso-Unternehmen nichts machen“, sagt Broeckmann. Dann müsse der Auftragnehmer den Mängelvorwurf ausräumen. So verzögere sich die Zahlung weiter, zusätzliche Kosten für einen Gutachter anfallen und mit Pech landet der Streit vor Gericht, weil der Kunde sich weiterhin uneinsichtig zeigt. „Weil die Mängelbehauptung in solchen Situationen gerade bei größeren Projekten eher ein Regelfall ist, ist Inkasso im Baubereich wenig etabliert. Es führt einfach zu selten zum Ziel“, meint der Berater.
Inkasso der Kreishandwerkerschaften: Alternativ zum Inkasso-Unternehmen bieten auch einige Kreishandwerkerschaften Inkasso-Dienste an. „Die kennen die Branche, machen es sehr günstig oder sogar kostenlos und können bei kleineren Summen gerade im Privatbereich hilfreich sein“, sagt Broeckmann.
Option 4: Factoring – Geld sofort, trotz säumiger Kunden?
Beim Factoring können Forderungen an einen Factoring-Anbieter verkauft werden. Vorteil laut entsprechenden Anbietern sei eine besonders schnelle Bezahlung, da der Geldeingang nicht an der Zahlungsgeschwindigkeit des Auftraggebers hängt. Der Factoring-Anbieter bezahlt den Auftragnehmer sofort für dessen Rechnung und holt sich den ausstehenden Rechnungsbetrag dann vom Kunden ab. So soll der Auftragnehmer schneller an sein Geld kommen, als beim Inkasso. Werner Broeckmann sieht die Leistung im Bauhandwerk allerdings kritisch. Aus zwei Gründen:
- Factoring sei teuer: „Die Gebühren liegen bei etwa 1,4 Prozent des Umsatzes, das entspricht 50 Prozent der Rendite, die Bauunternehmen im langfristigen Mittel erwirtschaften“, sagt er.
- Auch Factoring schütze nicht vor Mängelbehauptung: „Macht der Kunde angebliche Mängel geltend, spielt der Factor den Ball zurück zum Auftragnehmer – ähnlich wie beim Inkasso“, sagt Broeckmann. Damit helfe Factoring im typischsten Szenario für Zahlungsausfälle bei Bauprojekten nicht weiter.
Zahlungsprobleme nach Vertragsschluss
Option 5: die Bauhandwerkersicherung
Für Geschäfte zwischen Unternehmen und seit 2018 auch für viele Bauvorhaben für Privatkunden, wenn es nicht die typischen „Häuslebauer“ sind, gibt es die Bauhandwerkersicherung. „Das ist eine wirklich scharfe Waffe“, sagt Broeckmann und ergänzt: „Die zieht man nur, wenn man bereit ist, die Stimmung auf der Baustelle nachhaltig zu verderben.“
Wer die Bauhandwerkersicherung nach §650f BGB fordert, verlangt eine Bürgschaft von bis zu 110 Prozent des Auftragsvolumens. „Die Bürgschaft muss innerhalb einer angemessenen Frist erbracht werden. Hat jemand Schwierigkeiten sie zu bringen, hat der Auftraggeber ein echtes Problem“, sagt Broeckmann.
Dass die Bauhandwerkersicherung Auftragnehmer effektiv schützen kann, hat der Berater selbst schon als Mitarbeiter eines Bauunternehmens erlebt: „Da hatten wir einen Auftrag für einen österreichstämmigen Auftraggeber angenommen, der in Deutschland stark expandierte“, erinnert sich der Berater. „Als wir hörten, dass es Schwierigkeiten gibt, haben wir die Bürgschaft verlangt. Weil das Unternehmen die Bürgschaft nicht erbringen konnte, konnten wir den Vertrag problemlos kündigen und einen neuen gegen Vorauszahlung abschließen. So waren wir finanziell geschützt, als der Auftraggeber Insolvenz anmeldete.“
Die Bürgschaft nach §650f BGB könne man sofort nach Vertragsabschluss verlangen, aber auch noch während des Bauprozesses und sogar nach der Abnahme.
Vorbeugend schützen
Option 6: Forderungsversicherung abschließen
Als geeignetes Mittel um Zahlungsausfälle im B2B-Geschäft – insbesondere bei größeren Auftragsvolumina – von vornherein zu verhindern, rät Werner Boeckmann zur sogenannten Forderungsversicherung. Die schließe man auch individuell für einzelne Kunden ab.
Beispiel: Ein 300.000 Euro Auftrag, der sich über ein halbes Jahr erstreckt. „Das entspricht 50.000 Euro im Monat, für die man monatliche Abschlagszahlungen mit kurzem Zahlungsziel vereinbaren sollte“, sagt Broeckmann. Um so einen Auftrag über die Forderungsversicherung abzusichern, sollte man laut dem Berater den vergangenen Monat, der schon Geld gekostet hat, und den laufenden Monat, der gerade Geld kostet, versichern. „So beträgt die zu versichernde Summe im Beispiel 100.000 Euro.“ Zusätzlich ist auch das Fabrikationsrisiko mit zu versichern und eventuelle Rückforderungen eines Insolvenzverwalters. Die Kosten so einer Versicherung lägen laut Broeckmann bei 0,1 bis 0,2 Prozent des Umsatzes. Dies hänge aber stark von der Zusammensetzung der Kundenforderungen ab.
Die Versicherung bringe zwei weitere Vorteile
- „Im Rahmen so einer Versicherung kann man sich auch gegen Insolvenzrückforderungen mitversichern lassen“, erklärt der Berater. Denn geht ein Auftraggeber während der Bauphase insolvent, müsse der Auftragnehmer dem Insolvenzverwalter gewöhnlich bereits geleistete Abschlagszahlungen der letzten drei Monate zurückzahlen. „Gegen dieses Risiko versichert man sich dann mit“, sagt Broeckmann.
- Zudem sei bei manchen Versicherern ein Vertragsrechtsschutz in der Versicherung enthalten. „Schiebt der Auftraggeber Mängel als Gründe für den Zahlungsausfall vor, deckt der Vertragsrechtsschutz die resultierenden Kosten für den Rechtsanwalt“, erklärt Broeckmann.
Habe man für eine dauerhafte Geschäftsbeziehung einmal bestimmte Konditionen der Forderungsversicherung erhalten, blieben die im Regelfall für Folgeaufträge unverändert. Will die Versicherung Neuaufträge nicht mehr versichern, sei Vorsicht geboten. „Das wären deutliche Zeichen, dass beim Auftraggeber etwas im Argen liegt“, warnt der Berater.
Zusatztipp: Auskunfteien nutzen
„Auskunfteien sind im B2B-Bereich die einfachste Form, um an Informationen über den Auftraggeber zu kommen“, sagt Broeckmann. So bekomme man grundsätzliche Informationen über die Zahlungsmoral des Geschäftspartners.
Ein erster guter Anlaufpunkt sei der elektronische Bundesanzeiger, in dem alle Jahresabschlüsse offengelegt werden müssen. „Leider sind die Informationen dort jedoch oft älter als ein Jahr“, gibt der Berater zu bedenken. Privatwirtschaftliche Auskunfteien würden Unternehmen jeder Größe meist um zusätzliche Bilanzen bitten, was ihren Bewertungen zusätzliches Gewicht verleihe. Auch würde das Zahlungsverhalten der Unternehmen beurteilt.
Tipp: Sie interessieren sich für das Thema Unternehmensfinanzierung? Im handwerk.com-Newsletter finden Sie aktuelle Infos dazu. Jetzt kostenlos anmelden!
Auch interessant: